Apple Watch 6: Ist die Blutsauerstoff-Messung nutzlos?

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Die Apple Watch Series 6 setzt auf einen neuen Sensor, der auch Infrarot nutzt. (© 2020 Apple )

Die Messung des Blutsauerstoffgehalts ist das interessanteste neue Feature der Apple Watch Series 6. In der Theorie kann das das sogenannte SpO2-Tracking auf eine vorliegende ernste Erkrankung wie COVID-19 hinweisen. Doch wie nützlich ist die Funktion in der Praxis?

Bereits vor dem Release der Apple Watch 6 haben wir euch erklärt, weshalb das SpO2-Tracking von Smartwatches mit Vorsicht zu genießen ist: Am Handgelenk ist die Ermittlung des Blutsauerstoffsgehalts aus physikalischen Gründen nicht so präzise möglich wie mit einem traditionellen Pulsoximeter am Finger. Zu diesem Ergebnis ist nun auch die Washington Post in ihrem Apple-Watch-6-Test gekommen: Die Blutsauerstoff-App sei "überwiegend nutzlos".

Apple Watch 6 und Pulsoximeter im Vergleich

Post-Kolumnist Geoffrey A. Fowler hat das SpO2-Tracking genau unter die Lupe genommen und meint: Niemand sollte sich eine Apple Watch 6 kaufen, um die Gesundheit seiner Lunge zu überwachen. Denn die Smartwatch liefere äußerst inkonsistente Mess-Ergebnisse. Diese schwankten im Test zwischen (perfekten) 100 Prozent Blutsauerstoffgehalt und Werten, die eigentlich nur bei Personen mit ernsten Lungenerkrankungen auftreten.

Zum Vergleich habe Fowler seinen SpO2-Wert parallel mit einem medizinischen Pulsoximeter gemessen. Die hiermit ermittelten Werte wichen in der Regel zwei bis drei Prozent von denen auf der Apple Watch 6 ab. Ein durchaus relevanter Unterschied, denn: Gesunde Menschen sollten auf einen Wert von 95 bis 100 Prozent kommen. Einen Defekt könne Fowler ausschließen, denn er habe sich sicherheitshalber eine zweite Apple Watch 6 zuschicken lassen.

Nicht für den medizinischen Einsatz, aber wofür dann?

Apple macht keinen Hehl daraus, dass die Blutsauerstoffmessung nicht medizinischen Standards entspricht. Auf der offiziellen Website heißt es: Das SpO2-Tracking der Apple Watch 6 sei "nicht für die medizinische Verwendung, einschließlich Selbstdiagnosen oder ärztlichen Beratungen, vorgesehen". Stattdessen diene das Feature "der Nutzung für Zwecke der allgemeinen Fitness und des allgemeinen Wohlbefindens".

Klingt also so, als könnte sich das SpO2-Tracking zumindest beim Workout oder Laufen als nützlich erweisen. Leider nicht: Denn bei der Messung müsst ihr den Arm 15 Sekunden lang still halten, wie Apple auch auf der offiziellen Webseite erklärt. Fowler  kann das bestätigen: Jede noch so kleine Bewegung habe zu einer Fehlermeldung geführt.

Apple Watch 6: SpO2-Tracking sogar schädlich?

Die Blutsauerstoffmessung könnte sogar negative Folgen haben: Zum einen werden sich wohl eine ganze Menge besorgter Apple-Watch-6-Nutzer aufgrund eines vermeintlich zu niedrigen SpO2-Wertes an ihren Arzt wenden, obwohl kein Problem besteht. Das wäre ärgerlich für die Praxen, gefährlich wird es aber im umgekehrten Fall: Wenn tatsächlich Erkrankte zu spät zum Arzt gehen, weil ihre Apple Watch 6 sie fälschlicherweise in Sicherheit wiegt.

Zu Apples Verteidigung sei gesagt: Diese Probleme bestehen so gut wie bei allen Fitnesstrackern und Smartwatches, die SpO2-Tracking bieten. Für eine verlässliche Ermittlung des Blutsauerstoffgehalts solltet ihr daher entweder einen Arzt aufsuchen oder euch einen herkömmlichen Pulsoximeter zulegen. Das hat noch einen anderen Vorteil: Die Geräte sind bereits ab knapp 50 Euro erhältlich.

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