Ein großer Irrtum führt ins Silicon Valley

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Der Hipster-Treffpunkt Sightglass Coffee in San Francisco (© 2013 CC: Flickr/Jeremy Franklin )

Viele Gründer machen den Fehler, sich im Silicon Valley niederzulassen – aus den falschen Gründen. Nicht für jeden ist die Region ein lukrativer Markt. Das Potenzial liegt in neuen Start-up-Hubs im Rest der USA.

Mittwochnachmittag in San Franciscos Hipster-Treffpunkt Sightglass Coffee. Bei überteuerten Koffeingetränken mit vier Start-up-Jungs fallen die üblichen Gesprächsthemen: die Buchstaben unserer US-Visa, das Luxusgut Geschirrspülmaschine und „Growth Hacking“ (dem Rest der Welt als Marketing bekannt).

Der eine zog aus Deutschland nach San Francisco, um hier seine App groß werden zu lassen, holt sich Investments dafür vorwiegend aus Lateinamerika. Der Zweite bedient mit seinem Projektmanagement-Tool aus Österreich Großkunden wie Twitter und Google. Der Dritte hat sein Start-up in Boston niedergelassen und verweigert den Silicon Valley-Hype. Der Vierte hat eben seine App an die Konkurrenz verkauft und sucht jetzt in San Francisco nach dem nächsten großen Abenteuer.

Das Silicon Valley ist eine Community, in der sich die Menschen gerne auf die Schulter klopfen

Zusammentreffen wie diese sind in der multikulturellen Umgebung von Silicon Valley an der Tagesordnung. Im Grunde verfolgen hier alle ein ähnliches Ziel, und doch sind ihre Ansichten so verschieden. Zu glauben, das Silicon Valley sei der beste Standort für jedes Startup, ist eines der größten Irrtümer, den ich unter Jungunternehmern wahrnehme. Klar, hier sind die großen Investoren, die weltberühmte Innovationskultur und die erfolgreichsten Unternehmer zuhause. Aber sind das die wichtigsten Parameter für die Standortwahl?

Die San Francisco Bay Area: Ein perfekter Testmarkt für Produkte, die ihrer Zeit voraus sind

Silicon Valley ist eine Community, in der sich die Menschen gerne auf die Schulter klopfen. Man schmiedet gern Business-Ideen, freundet sich bei „Hackathons“ an und fühlt sich insgesamt sehr „disruptive“. Der Technologie-Sektor ist die wichtigste Industrie in der Region. Und die Tech-Branche baut am liebsten Lösungen für sich selbst. Was dabei entsteht, ist eine große Blase, aus der nur die Besten herausdringen können. Die San Francisco Bay Area ist ein perfekter Testmarkt für Produkte, die ihrer Zeit voraus sind, der Großteil kommt darüber jedoch nicht hinaus.

Das ist der Grund, warum sich der deutsche App-Entwickler auf den internationalen Markt konzentriert, während er sich vor Ort in San Francisco inspirieren lässt und seine Mitgründerin die internationalen Kontakte pflegt. Das ist der Grund, warum das Projektmanagement-Tool, das auf  sehr konkret definierte Anwendungsfälle optimiert ist, in Silicon Valley so gut funktioniert: Es wurde von Entwicklern für Entwickler gebaut. Zweifellos findet der CEO hier seine Zielgruppe und kann auch immer wieder die Großkunden im Valley persönlich besuchen.

Deshalb hat auch der Bostoner Startup-CEO recht, wenn er sich dem Hype der Gegend verwehrt. Hohe Personal- und Lebenskosten sprechen gegen die Westküste. Die Zeitdifferenz zum Europa-Geschäft ist an der Ost-Küste verkraftbar und bedeutende Branchen sind vielfältiger. Gilt Silicon Valley zwar als weltoffen, so hat man doch eine bessere Außenbetrachtung außerhalb der Blase.

Falsche Motive: „Hier geht’s einfach ab“ ist keine rationale Geschäftsentscheidung

Viele Aspekte sprechen für einen Weg ins Silicon Valley – überteuerter Kaffee ist nur einer davon. Jedoch ist „Hier geht’s einfach ab“ keine rationale Geschäftsentscheidung. Wer Produkte für die Film- und Musikindustrie baut, ist in Los Angeles besser aufgehoben. Wer die Medien- und Werbebranche beliefert, sollte sich in New York ansiedeln.

Abseits davon gibt es in den USA weitere, florierende Startup-Hubs mit überschaubarer Community, weniger Konkurrenz und leistbaren Rahmenbedingungen – Seattle oder Austin, etwa. Silicon Valley wird unbestreitbar die Tech-Metropole bleiben. Jungunternehmer sollten ihren Zielmarkt im Fokus behalten und nicht von frisch gebrühtem Kaffee zwischen Gleichgesinnten und Investoren verleiten lassen. Vielleicht bleibt dann auch noch Budget für die eigene Geschirrspülmaschine übrig.

Wie findet ihr das? Stimmt ab!