Wirbel um Facebook Instant Articles: Heult doch!

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Die Nervosität bei etablierten Medienunternehmen wird offenbar immer größer. Aus gutem Grund: Facebook will mit "Instant Articles" Leser anlocken – und vor allem im eigenen Angebot halten. Dabei handelt es sich um Artikel dieser etablierten Medienunternehmen – nur teilweise multimedial ergänzt und hübscher gestaltet, als beim ursprünglichen Anbieter. Doch hätten die Unternehmen ihre Hausaufgaben gemacht, müssten sie nicht solche Angst haben. 

Bundeskanzlerin Merkel hatte also doch Recht: Das Internet ist Neuland. Mathias Müller von Blumencron, der ehemalige Chefredakteur von "Spiegel Online" und derzeitige Online-Chef der "FAZ", feuert einfach mal so eine Breitseite gegen Facebook ab. "Wir könnten Zeugen sein, wie riesige hochprofitable Konzerne mit ihren unendlichen Profiten aufbrechen, um das zu tun, was bisher eigentlich der medialen Welt, wie wir sie kennen, vorbehalten war, und faktisch und genuin selbst zu Medien zu werden", entfährt es dem Onliner auf dem Medienforum in NRW.

Es geht in seinem Angriff um den Dienst "Instant Articles". Dort werden künftig Medienpartner von Facebook ihre Artikel platzieren. Allerdings werden Leser zum Lesen nicht zu den originären Absender geleitet sondern im Facebook-Kosmos gehalten. Und das ist es wohl, was Blumencron übel aufstößt. "Nun plötzlich werden wir aufgefordert, für Facebook direkt zu produzieren, zu einer verlängerten Werkbank von Facebook zu werden." Er erkennt zwar an, dass Facebook für Medien ein Partner sei, aber eben auch ein "sehr, sehr gefährlicher Gegner. Was wir sehen können, ist, dass 1,4 Milliarden Menschen eine Plattform zu einem mehr oder weniger zentralen Teil ihres Lebens gemacht haben, die von einem Menschen an der Spitze gesteuert wird."

Chef bleibt Chef – egal ob er Anzug oder T-Shirt trägt

Ach Mann, heul doch. Am Ende des Tages sitzt immer irgendeine Person an der Spitze eines Konzerns. Natürlich will Facebook die Nutzer nicht wieder wegschicken. Im Medien-Dschungel sind doch alles Konkurrenten – egal ob auf dem Chefsessel ein Journalist, ein Betriebswirt oder ein Nerd im blauen T-Shirt sitzt. Zahlungsmittel sind Verweildauer und Werbeeinblendungen – und darin sind sich Facebook und traditionelle Publisher gleich. Medienkonzerne haben doch dafür gesorgt, dass Nachrichten und Artikel in der öffentlichen Wahrnehmung nichts mehr wert sind, indem diese an möglichst viele Besucher einfach so verschenkt wurden. Nach dem Motto: "Hey Fremder, willst Du mit aufs Zimmer" haben sich viele Onlineseiten mit jedem ins Bett gelegt – und dabei häufig die eigene Zielgruppe und vor allem eine eigene Identität verloren. Stolz prangt ein Name am Kopf einer Seite – aber Leser interessiert der Absender immer weniger.

Und hat Blumencron vielleicht schon vergessen, dass Internet-Auftritte von großen Magazinen und Zeitungen in den eigenen Häusern lange Zeit ebenfalls wie ungeliebte Stiefkinder behandelt wurden? Printkollegen schauten häufig auf ihre WWW-Kollegen herab. Inzwischen ist das natürlich anders. Viele altgediente Printler haben wohl ihren eigenen Namen mal gegoogelt – und ihn nicht im Netz gefunden. Plötzlich sind alle Online, alle sind eine große Familie. Also braucht es ein neues, ein gemeinsames Feindbild. Die Onliner dürfen mit am Cheftisch sitzen – und wollen da auch nicht mehr weg. Besitzstandswahrung nennt man das. Und wenn dann ein frecher Ami mit seinem unsympathischen sozialen Netz einfach so daher kommt und Leser klauen will, dann gibt man im Zunder – und muss sich selbst nicht verändern.

Es geht um Interessen

Also noch eine Backpfeife in Richtung Silicon Valley: "Soziale Plattformen kennen keine Redakteure, sie kennen nur Programmierer, sie kennen nur Algorithmen." Stimmt das? Und was wäre daran schlimm? Diese Algorithmen sorgen dafür, dass die Artikel, die wahrscheinlich für die Nutzer interessant sind, besser gefunden werden.

Sicher, journalistische Arbeit hat sich verändert. Aber das doch auch eine Chance und  war schon immer so. Es kamen schon immer neue Mitspieler, die mit neuen Methoden oft schneller und dabei auch manchmal sogar besser waren, als etablierte Medien. Und inzwischen veröffentlichen ehemals reine Leser sogar selbst im Internet oder stellen sich zumindest virtuos ihre eigenen Leselisten zusammen. Genauso schnell, wie Konsumenten eine Seite, ein Magazin oder einen Trend für sich entdecken – genauso schnell sind sie wieder verschwunden. Das einzige, was sie hält, ist Qualität. Oder vielleicht genauer: Inhalte, die ganz individuelle Bedürfnisse berücksichtigen, ohne den Leser, Zuschauer, Hörer dabei für dumm zu verkaufen. Und das war eigentlich schon immer so.

Google, Facebook und künftig auch Amazon und Apple werden mit Fremdinhalten dafür sorgen, dass Nutzer in der jeweiligen Konzern-Welt bleiben können. Es gibt Musik, es gibt Filme, lustige Fotos und Nachrichten aus den unterschiedlichsten Quellen, die man sich selbst aussucht. Lust auf Science-Fiction? Kein Problem, gibt es links um die Ecke. Ein bisschen Politik? Da haben wir ein Angebot aus den USA – oder soll es etwas aus Deutschland sein? Es ist eine Art Spotify für Nachrichten mit Leselisten statt Playlists. Und das ganze nicht einmal kostenlos, sondern finanziert per Abo-Modell (Apple und Amazon) oder Werbung (Facebook und Google).

Schuld an der eigenen Misere sind immer die anderen

Statt mit den Finger auf Facebook zu zeigen, sollte unsere Journalisten-Elite lieber spannende Ideen und multimediale Konzepte für ihre Inhalte entwickeln – und so Gründe liefern, wieder deren Seiten regelmäßig zu besuchen. Denn dann muss man auch keine Angst vor dem bösen Ami haben. Es ist so wie in der Schule: Weil man sich nicht auf die Prüfung vorbereitet hat, findet man die Musterschüler total blöd, die ihre Hausaufgaben gemacht haben.

Wie wäre es mal damit, in Deutschland eine einheitliche Lösung zu finden. Warum setzen sich die ganzen Verlagsentscheider nicht einfach mal zusammen und überlegen, wie man vielleicht eine eigene Medien-Flatrate entwickelt. Aber nein, man will ja gleich aus dem Stand alle erreichen und daher unbedingt bei den Großen mitspielen – und ärgert sich, wenn die Großen ihre eigenen Regeln aufstellen. Dann gebt doch Eure Inhalte nicht weg!

Ich will nichts mehr von Problemen durch andere lesen, sondern endlich mal eigene Lösungen sehen.

Wie findet ihr das? Stimmt ab!