ICQ New: Kult-Messenger aus den 90ern will es WhatsApp zeigen

ICQ Messenger
ICQ Messenger (© 2020 Getty Images )
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Der ICQ Messenger ist wieder einmal zurück. Das Instant Messenger Urgestein ist unter dem Namen ICQ New noch einmal neu gestartet und will WhatsApp Konkurrenz machen. Ob das gelingen kann?

So gut wie Jeder hat WhatsApp auf dem Handy, doch Instant Messenger gibt es schon sehr viel länger. Mitte der 90er Jahre startete das israelische Startup Mirabilis mit einem Messenger namens ICQ und feierte große Erfolge. Das Erfolgsrezept war schon damals ein Mix aus kostenloser Software und simpler Bedienung, denn mehr als einen Internet-Anschluss brauchte man für ICQ nicht. Übrigens steht ICQ für "I seek you", was so viel heißt wie "Ich suche dich".

Vor allem der Echtzeit-Chat war ein Killer-Feature, das es damals bei anderen Kommunikationsmöglichkeiten wie E-Mail noch nicht gab. Zur Erinnerung: Mitte der 90er gab es noch keine Smartphones. Moderne Kommunikation auf dem Handy beschränkte sich auf das Versenden von SMS-Nachrichten. 1998 wurde ICQ dann vom damaligen Internet-Riesen AOL für über 400 Millionen US-Dollar gekauft, im Jahr 2000 hatte ICQ satte 100 Millionen Nutzer. Vor 20 Jahren war also ICQ das WhatsApp seiner Zeit.

Der Abstieg von ICQ

Doch ICQ konnte sich an der Spitze nicht behaupten und verschlief das Zeitalter der Smartphones. Auch soziale Netzwerke setzten dem Chat-Dienst zu und so verabschiedeten sich immer mehr Nutzer von ICQ. Heute gehört ICQ der russischen Firma Mail.ru.

ICQ New: Neustart des Instant Messengers im Jahr 2020

Im April 2020 wagt der Messenger-Dienst unter dem Namen ICQ New einen Neuanfang. Der kann sich auf den ersten Blick wirklich sehen lassen: So gibt es den Messenger ICQ New für Android und iOS, aber auch für Windows, macOS, Linux und in einer Webversion für den Browser. Zudem ist er weiterhin kostenlos.

Alte ICQ-Hasen können sogar noch die bestehenden ICQ-Nummern verwenden, jüngeres Publikum meldet sich wie bei modernen Messengern üblich via Telefonnummer an. Dann scannt die App auf Wunsch die Kontakte auf dem Handy und zeigt schon mal an, wer ICQ New nutzt. Dann einfach Kontakt auswählen und chatten.

Die Grundausstattung passt: Ihr könnt Texte schreiben, Bilder und Videos verschicken, auch das Senden anderer Dateien ist möglich. Ebenso wie das Verschicken des aktuellen Standortes, Sprachnachrichten und Kontakte. Auch Umfragen könnt ihr erstellen.

Anrufe und Video-Chats

Wie WhatsApp integriert auch ICQ New Video-Chats. Dafür müsst ihr einfach im Bereich "Anrufe" auf die Kamera tippen und die Kontakte auswählen, die ihr anrufen wollt. Wer die Kamera nicht freigibt, kann per Audioverbindung trotzdem dabei sein. Grundsätzlich könnt ihr damit getrennte Familien zusammenbringen oder auch Meetings abhalten. Eine Funktion, um das Mikro stumm zu schalten, gibt es auch.

Riesige Gruppen möglich

Der Teufel bei WhatsApp sind Gruppen, jeder dürfte wohl mittlerweile in diesen schwarzen Löchern gefangen sein. Bei WhatsApp ist bei 256 Teilnehmern pro Gruppe Schluss, was schon mehr als ausreichend ist. ICQ New klotzt richtig ran und erlaubt bis zu 25.000 Teilnehmer pro Gruppe.

Auf diesem Weg will man neue Nutzergruppen erschließen, etwa Geschäftsnutzer, die Events per ICQ abwickeln. Zusätzlich gibt es Kanäle zu bestimmten Themen, die ihr abonnieren könnt, etwa "Best Pictures on the Web" oder "New York Fashion".

Besonderheiten von ICQ New

Auf den ersten Blick sieht ICQ New recht ähnlich aus zu allen anderen Messengern und bietet ähnliche Funktionen. Doch es gibt noch ein paar Besonderheiten: Wie zum Beispiel ein Audio-to-Text-Feature, das Sprachnachrichten in Text umwandelt.

Die Spracherkennung funktioniert zwar nicht perfekt, aber wer Sprachnachrichten hasst, kann damit zumindest schnell erfahren, worum es in den Nachrichten der Freunde geht.

Praktisch sind auch Schnellantworten. ICQ analysiert dafür den Text und macht Vorschläge für schnelle Antworten oder passende Sticker. Auch das passt nicht immer, ist aber gelegentlich nützlich.

Sicherheit und Datenschutz mangelhaft

Bis hierher ist eigentlich alles in Ordnung, doch ein Blick in die Datenschutzerklärung zeigt, dass ihr bei ICQ in Sachen Datenschutz nicht besser dran seid als bei Facebook, im Gegenteil, es gibt momentan einfach noch viel zu viele offene Fragen.

Die Wichtigste: Welche Art von Verschlüsselung wird eingesetzt? Der Datenschutzerklärung zufolge wird nichts verschlüsselt. Es gibt aber eine speziell auf EU-Recht gemünzte Version dieser Erklärung, die dann doch erwähnt, dass es eine Verschlüsselung gibt. Welche das ist, wird allerdings nicht näher ausgeführt.

Auf einer weiteren Infoseite heißt es dann, dass zumindest Video-Anrufe verschlüsselt werden. Der Support berichtet über Transportverschlüsselung per TLS. Es ist also zu vermuten, dass es keine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung gibt, wie sie ein Messenger heute unbedingt mitbringen sollte. Bei der Weitergabe von Inhalten an Dritte ist ICQ New ebenso nicht knausrig, das passt ins mangelhafte Datenschutz-Bild.

Fazit: Sicher kein WhatsApp-Killer

ICQ New bringt eigentlich alles an Funktionen mit, was ihr bei einem Instant Messenger braucht. Ob einfaches Texten über Gruppen-Funktionen bis zu Video-Chats ist alles dabei, was ihr braucht. Auch Fotos, Standorte und Umfragen sind möglich. Mit ein paar Goodies wie Audio-to-Text hebt sich ICQ sogar von WhatsApp ab.

Bei Sicherheit und Datenschutz kommt dann aber der Hammer, die Kommunikation ist nicht verschlüsselt, das ist mittlerweile bei WhatsApp gegeben. Unter dem Strich ist die Haube ganz nett, aber im Kleingedruckten gibt es Mängel. Außerdem fehlt ein Killer-Feature, das WhatsApp nicht hat. Deshalb dürfte ICQ New vermutlich auch weiterhin in der Nische bleiben.

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