Tobit zu Googles App-Razzia: "Es gab keine Ankündigung"

Tobit-CEO Tobias Groten äußert sich zur massenhaften Löschung von chayns-Apps durch Google
Tobit-CEO Tobias Groten äußert sich zur massenhaften Löschung von chayns-Apps durch Google (© 2014 facebook/chayns, tobit.com, CURVED Montage )
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Ohne Know-how eine eigene App. Das versprach chayns. Doch Google löschte nun zehntausende Apps aus Google Play. Tobit-CEO Tobias Groten im Gespräch.

Und plötzlich ist die eigene App verschwunden. Und  nicht nur die. Auch der FC Schalke 04 und der 1. FC Köln hatten plötzlich keine eigene Anwendung mehr in Googles Play Store. Was war passiert? Google hatte schlagartig zehntausende von Apps, die mit dem App-Baukasten chayns erstellt wurde, aus dem Play Store gelöscht. Mit chayns sollte jeder, der eine eigene Facebook-Seite besitzt, mit wenigen Handgriffen und vor allem kostenlos eigene Mobil-Apps auf Android-, iOS- und Windows-Geräte bringen. Was war passiert? CURVED hat mit Tobias Groten, CEO von chayns-Betreiber Tobit, gesprochen. Der übt harte Kritik am System Play Store.

CURVED: Ich hatte durch Euch ja auch meine App im Google Play Store. Warum ist die, wie auch zehntausende andere Apps, nun verschwunden?

Tobias Groten: Google hat offenbar im Rahmen einer allgemeinen "Reinigungsaktion" eine ganze Reihe Entwickler-Konten ausgeblendet. Das Unternehmen steht - wie Microsoft auch - aktuell in der Kritik, neue Apps nicht ausreichend zu prüfen. Ihm wird vorgeworfen, Spam und vor allem Malware zu verbreiten.

CURVED: Für alle, die jetzt erst über chayns lesen: Was macht Ihr?

Tobias Groten: Mit chayns verbinden sich Unternehmen, Vereine und anderen Organisationen fest und dauerhaft mit ihren Fans, Kunden und Mitgliedern. Kernstück sind dabei native Smartphone-Apps für iOS, Android und Windows, aber auch eigene Websites lassen sich mit chayns erstellen. Das Besondere: Man installiert chayns auf der eigenen Facebook-Seite - so landen Postings, Fotos und weitere Inhalte direkt in den Hosentaschen der Menschen, ohne dass man sich um etwas kümmern müsste. Natürlich kann man seine App auch um beliebige weitere Inhalte erweitern, zum Beispiel mit einem Bundesliga-Tippspiel oder einem Reservierungs-System.

CURVED: Was können Nutzer jetzt tun, um ihre App wieder in den Play Store zu bringen? Und gibt es alternative Methoden, um seine Android-App unter die Leute zu bringen?

Tobias Groten: Anders als bei Apple ist der Play Store nicht der exklusive Kanal für die Installation einer App. Google ist einer von vielen Anbietern, auch wenn er zweifellos die marktbeherrschende Stellung hat. Auch Amazon, Mobil1 und so viele andere Anbieter wie Samsung oder Sony haben eigene Stores. In welchen Stores man seine App sehen möchte, kann jeder für sich selbst entscheiden. Prinzipiell braucht man bei Android jedoch gar keinen Store: Die Apps werden auch direkt auf unserem Server bereit gestellt. Ohne irgendwelche Gängeleien.

CURVED: Ihr übt Kritik an Google, die angeblich handstreichartig die Apps gelöscht hätten. Was meint Ihr damit im Detail?

Tobias Groten: Wir waren von der Aktion genau so überrascht wie unsere Kunden. Es gab keine Gespräche, keinen Dialog, nicht einmal eine Vorankündigung. Damit nicht genug: Es hat mehr als eine Woche gedauert, bis wir überhaupt eine konkrete Erklärung bekommen haben. Über die man allerdings dann auch nur noch den Kopf schütteln kann. Es ist schlicht nicht zu verstehen, was in den Köpfen in Mountain View da gerade vor geht. Offenbar hat man nicht die leiseste Ahnung, was man da anstellt. Mehrere zehntausend Apps von real existierenden, soliden Unternehmen und Organisationen, Apps , die auf vielen Millionen Geräten laufen, zum Teil seit mehreren Jahren verfügbar sind und von denen zahlreiche sechsstellige Installationszahlen haben plötzlich als "Spam" zu bezeichnen?! Wie nennen Sie denn so was?

CURVED: Bei von Euch kommunizierten 50.000 Apps in den App-Stores und 25 Dollar, die Google pro Developer-Account verlangt, gingen dem Android-Konzern mittlerweile rund 1,25 Millionen Dollar durch die Lappen. War es da nicht nur eine Frage der Zeit, bis Google einen Riegel vorschiebt?

Tobias Groten: Don't be so german! Ja, ein Deutscher würde so denken. Er würde sich denken: "Warum soll ich mir das nicht bezahlen lassen, damit ich meine Kosten decken kann. Schließlich habe ich dadurch ja keine Einnahmen." Aber darum geht es nicht. Die offizielle Aussage lautet: "Vermeidung von Spam". Was albern ist. Aber es ist die offizielle Aussage.

CURVED: Man könnte ja meinen, dass Android angesichts der weiterhin großen Menge an Malware im Play-Store andere Problem hat, oder?

Tobias Groten: Keine Frage! Der Play Store ist voll von irgendwelchem generierten Billig-Zeugs ohne jeden Wert. Aber das ist nicht das Problem: Spam würde ja bedeuten, dass man einfach etwas "auf's Auge gedrückt" bekäme. Und das gibt es bei Apps nicht. Tatsächlich geht es wohl um Malware, auch wenn Google dieses Wort nicht in den Mund nimmt. Unverständlich ist eigentlich nur, warum Google das Problem nicht ganz anders angeht: Indem sie die Developer genauer untersuchen und sie entsprechend einstufen. Dann hätten sie einen sauberen Play Store. Ausgerechnet Google sollte wissen, wie man mit großen Datenmengen umgeht. Aber die Play Store-Mannschaft scheint da irgendwie ganz anders gestrickt zu sein. Sonst wäre die Suche im Play Store auch nicht so unglaublich schlecht.

CURVED: Wie verhält es sich mit Apples App Store? Muss ich Angst um meine iOS-App haben? Müssen chayns-Nutzer künftig mit ähnlichen Aktionen durch den Betreiber rechnen?

Tobias Groten: Um es noch mal klar zu sagen: Angst muss man auch nicht um Android-Apps haben. Sie sind ja weiterhin verfügbar. Nur muss man inzwischen selbst aktiv werden, wenn man seine App in den Play Store bringen will. Für Google ist selbst ein Blumenhändler ein "Developer". Wir finden es auch grundsätzlich richtig, dass in den Stores zwischen Developer und Publisher unterschieden wird. Wir glauben, dass in den nächsten Monaten hier brauchbare, ordentliche Konzepte kommen. Nicht nur bei Google sondern auch bei Apple, Microsoft und anderen. Die Welt ist seit 2008 eine Andere. Und sie ist noch immer eine Großbaustelle. Auch und besonders bei den Big Five: Apple, Amazon, Google, Facebook und Microsoft.

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