WWDC 2014: Das Apple-Imperium im Verteidigungskrieg

Angriff ist die beste Verteidung: Tim Cook erklärt Android den Krieg
Angriff ist die beste Verteidung: Tim Cook erklärt Android den Krieg (© 2014 CC: Flickr/John A. Debay )
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Es war weder der große Überraschungscoup noch eine Enttäuschung: Apple stellte gestern eine Reihe smarter Software-Updates vor, die die Hardware in einigen Monaten im neuen Glanz erstrahlen lassen dürfte. Doch die Dynamik des Schachzugs ist defensiver als das Produktfeuerwerk zunächst erscheint: Wie auch beim kommenden iPhone 6 fährt Apple eine Kontertaktik.

Evolutionär statt revolutionär  – das ist wieder einmal das Fazit nach einer Apple-Keynote. Doch im Gegensatz zur WWDC im vergangenen Jahr, als Jony Ive federführend das iOS-Redesign übernahm und mit dem poppigen Minimalismus Apple-Fans und Techblogger verschreckte, fällt die Resonanz für den iOS 8-Ausblick am Tag danach überwiegend positiv aus: Die Branchenpresse attestiert Apple saubere Exekution, sogar die Wall Street erscheint diesmal nicht verstimmt.

Alles eitel Sonnenschein also im sonnigen Kalifornien? Kurzfristig ja, mittelfristig indes nicht unbedingt. Das Apple des Jahres 2014 beweist zweierlei: Einerseits wird deutlich, dass die Schockstarre des Krisenjahres 2013 überwunden und Apple willens ist, Versäumnisse schnellstmöglich auszugleichen. Das gilt in der Hard- als auch Software: Nach zwei Jahren mit 4-Zoll-Display wächst das iPhone 6 endlich auf Marktgröße.

Konter-Attacken auf WhatsApp, Snapchat und Dropbox

Auch die in den vergangenen 12 bis 24 Monaten offenkundig aufgetretenen softwareseitigen Lücken gegenüber dem Android-Lager wurden geschlossen: iMessage ist nun mindestens so funktionsfähig (und mutmaßlich sicherer) wie Dropbox-Alternative in seinem Ökosystem besitzt.

Deutlich wird damit allerdings auch: Die eigentlichen Highlights der WWDC sind allesamt Reaktionen auf die jüngsten Internet-Stars. Fakt ist: Erstmalig seit dem Launch des iPhones vor sieben Jahren läuft Apple sehr offenkundig Trends hinterher. Als das iPhone 2007 debütierte, war es anderen Handys um Lichtjahre überlegen. Ein Jahr später baute Apple den Vorsprung durch den Launch des AppStores aus. Selbst drei Jahre später, als Samsung mit seinem ersten Galaxy-Modell mehr als Achtungserfolge erzielen konnte, rief Steve Jobs 2011 zum „Jahr der Copycats“ aus.

An allen Ecken und Ende in Verteidigungskriege verstrickt

Drei Jahre später ist Apple nun selbst die „Copycat“, die Lücken schließt – und das mit aller Macht seines 500 Millionen Nutzer starken Ökosystems. Reflexartig fällt der FAZ ein, dass Apple offenkundig den Schwung verloren hat.  „Während der Veranstaltung auf der Entwicklermesse WWDC 2014 in San Francisco hatte man das Gefühl, dass Apple das erste Mal Zeit schinden wollte und dabei zudem vergaß, auf die Uhr zu schauen“, kanzeln die Renommeejournalisten den iPhone-Hersteller ab, um sich dann zu fragen: „Will oder kann Apple nicht mehr“?

Keine Frage: Apple hat das Potenzial, die Konter zu setzen und WhatsApp, Snapchat und Dropbox über Nacht erheblichen Schaden zuzufügen – aber es bleibt doch eine Reaktion. Apple befindet sich in der Defensive und ist an fast allen Fronten seines Imperiums in Verteidigungskriege verstrickt, um das Erreichte zu bewahren. Entsprechend werden Mac OS X und iOS durch zahlreiche neue Features wie Continuity, der Telefonie über den Mac oder der verbesserten Spotlight-Suche noch enger miteinander verzahnt.

Apple in den nächsten 18 Monaten trotzdem kaum zu schlagen

Für den Moment dürfte Apple mit seinem gigantischen Gegenschlag Erfolg haben: In den nächsten zumindest 18 Monaten spricht mit dem iPhone 6, iOS 8 und der nun als fast sicher geltenden iWatch fast alles für Cupertino. Apple bleibt der Goldstandard, der nach ein, zwei Jahren auf Abwegen auch wieder technisch ganz vorne mitspielt.

Wirklich spannend jedoch wird die Zeit nach 2015: Wenn Apple seine Trümpfe mit den – wie angekündigt – stärksten Produkten in 25 Jahren gespielt hat, wenn das iPhone sich seinem zehnten Geburtstag nähert und in der heutigen Preisklasse kaum mehr denkbar erscheint, wenn neue Konkurrenzprodukte, die heute wie Glass freakig erscheinen, vielleicht doch den Massenmarkt erreichen. Ob das Apple-Imperium dann immer noch uneinnehmbar ist, wird die Schicksalsfrage der Tim Cook-Ära.

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