Vergesst Runtastic und Co.! Pokémon GO ist eine heimliche Fitness-App

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Auf der Suche nach Pokéstops, Pokémon und Arenen. (© 2016 CURVED )

Fitness-Apps gibt es viele. Zu viele. Was einige von ihnen gut machen: mit Gamification den Nutzer für Aktivität belohnen. Eine andere App schafft das dieser Tag viel besser: Pokémon GO ist ungewollt die smarteste Fitness-App, die man sich nur vorstellen kann.

Jeden Tag die immergleichen Pfade: Im Alltag ist wenig Zeit für Abweichungen. Den Weg zur Arbeit, zum Bäcker, zum Kaffee - wir weichen selten von ihnen ab. Schließlich sind wir so gepolt: Der Mensch will nun einmal maximal Energie sparen. Doch wollen wir fit bleiben, müssen wir von diesem Grundsatz abweichen. Wir gehen ins Fitnessstudio, treiben Sport im Verein - oder installieren uns Apps wie Runtastic oder Freelectics, die unsere Fitness tracken und uns anschließend mit virtuellen Abzeichen und Push-Benachrichtigungen belohnen.

Das "GO" ist Programm

Die Freude? Sie zeigt sich mit viel Ehrgeiz beim Blick in den Spiegel oder wenn uns eine neue Notification erreicht. Vor allem aber zeigt sie sich selten in dem Moment, in dem wir aktiv sind. Ich selbst würde mich als aktiven Mensch bezeichnen: Ich erledige viele Wege zu Fuß, spiele ein- bis zweimal pro Woche Tennis, fahre Rad und laufe...immer öfter. Doch was sich in mir abgespielt hat, als ich Pokémon GO installierte und zum ersten Mal ausprobiert, hat in mir das Kind geweckt: Auf der Suche nach neuen Monster, neuen Pokéstops in Hamburg-Ottensen habe ich glatt die Zeit vergessen. Und vor allem die zurückgelegte Strecke. Nur noch einmal um die Ecke, nur noch den einen Pokéstopp abgrasen. Nur noch fünf Minuten, Mutti!

"GO" steht im Titel des Spiels. Bewegung ist der Kern des Ganzen. Nur durch anfängliche Bugs war es Nutzern vereinzelt möglich, Pokémon zu sammeln. Denn ansonsten gilt: raus vor die Tür und auf den Weg gemacht. Wann konnte man das schon einmal von einem digitalen Spiel behaupten? Eltern weltweit dürften Niantic dankbar sein, dass Kids dieser Tage umso häufiger draußen spielen wollen.

Nutzer klagen über Muskelkater

Mehr noch: Die App bringt ihre Nutzer dazu, neue Orte zu erkunden. Auf einer virtuellen Karte sind der eigene Avatar und die Umgebung zu sehen. Jeweils nur ein paar Blocks, versteht sich. Und auch wenn man die Pokéstopps sieht, muss man sich ihnen bis auf wenige Meter nähern, um sie zu aktivieren und eine Belohnung zu erhalten. Noch genialer: Im Laufe des Spiels sammelt man auch Eier ein. Um diese auszubrüten, muss man sie in der App ausbrüten. Dazu braucht es zum einen einen Inkubator, zum anderen muss man unterschiedlich viele Kilometer laufen, teilweise bis zu zehn. Das scheint Nutzer nicht abzuhalten - auch noch von anschließenden Jammertiraden auf Twitter:

Ein Nutzer erklärte sogar, trotz krassen Übergewichtes gleich am ersten Tag etliche Kilometer gelaufen zu sein. Das sei im ersten aufgefallen, als sein Fitnesstracker am Arm ihn darauf hinweis.

Wer hätte das gedacht? Pokémon mit Namen wie Rattfratz, Glumanda oder Rossana bringen weltweit Zehntausende von Nutzern dazu, sich mehr zu bewegen, als sie es sonst tun würden. Ich kann mir gut vorstellen, wie Betreiber von Fitness-Apps nun neidisch auf die Nutzerzahlen von Pokémon GO schauen. Aber vielleicht ist das die Lösung: Statt eine Fitness-App zu "gamifizieren", scheint es zu genügen, mit einem Game spielerisch für mehr Fitness bei den Nutzern zu sorgen - ohne dass sie davon etwas mitbekommen.

Update: Jawbone wertet Nutzerdaten aus

Der Fitnesstracker-Hersteller Jawbone hat die Daten seiner Nutzer ausgewertet, die in Kommentaren angegeben haben Pokémon Go zu spielen. Ergebniss: Sie sind am ersten Wochenende mit dem Spiel 62,5 Prozent oder 8375 zusätzliche Schritte als an den Wochenende zuvor gelaufen. Als Grafik sieht das dann so aus.

Pokémon GO treibt Jawbone-Nutzer auf die Straße. (© 2016 Jawbone)
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